Die "Mittlere Krückau" im Detail

Die Krückau zwischen Elmshorn und Barmstedt

 

Sah die Krückau schon immer so aus wie heute? 

 

Die 37 km lange Krückau entspringt in der Nähe von Kaltenkirchen und entwässert mit ihren Nebenflüssen ein Einzugsgebiet von etwa 274 qkm. Sie verbindet die Naturräume des Kisdorfer Wohlds, des Hamburger Rings sowie der Elbmarschen miteinander und mündet zwischen Kollmar und Seestermühe in die Elbe.

 

Seit Inbetriebnahme der Großkläranlage in Hetlingen im Jahr 1983 hat sich die Wasserqualität deutlich verbessert. Spürbare Belastungen gibt es derzeit noch durch Einträge aus der Landwirtschaft (Gülle, Kunstdünger, Pestizide), die über Gräben und Drainagen in das Fließgewässer gelangen und über Abläufe aus der städtischen Oberflächenentwässerung in Kaltenkirchen, Barmstedt und Elmshorn.

 

Naturnähere Bereiche weist der Fluß nur noch im Oberlauf zwischen Langeln und Heede auf. Im Mittel- und Unterlauf ist die Krückau weitgehend begradigt und ab Elmshorn eine durch die Tide beeinflusste Bundeswasserstraße, die heute jedoch nur noch von Sportbooten befahren wird.

 

Dabei sah die Krückau und auch ihre Nebenflüsse Ekholter Au, Offenau und Höllenbek sowie einige kleinere Bäche vor gut 200 Jahren noch ganz anders aus:

 

Das Flußsystem nahm damals die ganze breite Talaue ein. Bei höheren Wasserständen war der Flusslauf nicht auszumachen. Zog das Wasser ab, so hatte sich der Hauptlauf oftmals verändert und lief an ganz anderer Stelle. Die alten Flussarme bildeten dann Flutrinnen, Stillgewässer, Blänken, Auentümpel oder Altarme. Bei der nächsten Flut konnten sich erneut neue Flussläufe bilden. Dabei wurden immer wieder Uferkanten abgebrochen, Sand und Geröll verlagert, Bäume herausgerissen und umfangreiches Astwerk, Wasserpflanzen und Gras (Genist) mittransportiert. Als ungestörtes Fließgewässer ohne größeres Gefälle bildet sich ein System von Flussschleifen (Mäander) heraus. Diese entstehen durch Hindernisse im Gewässer, wie Bäume, Astwerk oder größere Steine. Wo in den Flusskurven das Wasser an die Uferkante prallte, entstanden die Prallhänge. Brutplätze u.a. für Uferschwalben und Eisvogel. An der gegenüber liegenden Seite bildeten sich flache Uferzonen - die Gleithänge, oftmals begehrte Laichplätze für Fische aber auch Wasserinsekten und Nahrungshabitat für Watvögel. Die Krückau hatte- wie übrigens die meisten Flüsse auf unserer Erde - nicht nur einen einzigen Flusslauf, sondern oftmals viele Flussarme, die sich wie ein Adersystem durch die Landschaft schlängelten und eng verzahnt waren mit der Uferzone. Die Schlangenau im Osten der Stadt Elmshorn ist ein kleiner Rest eines solchen vielverzweigten Gewässersystems.

 

Und ähnlich wie in einem menschlichen Körper, wo ein Adersystem auch funktionslos wäre ohne das umgebende System von Muskeln, Sehnen und Knochen, so ist auch der Fluss unter natürlichen Bedingungen immer verzahnt mit der ufernahen Talaue, einer tiefgelegenen, amphibischen Zone, die an der Krückau sicherlich von Weiden und Erlen dominiert wurde. So bildete sich dicht am Ufer – oft zusammen mit Schilf, Rohrkolben oder Sumpfweiderich - die Weichholzaue. Vielfach aber hielten Biber durch ihre Fraßtätigkeit oder das Anstauen der Bäche Teile der Weichholzaue offen. Diese waren mit ihren saftigen Gräsern und Stauden dann begehrte Futterplätze für die großen Weidegänger Rot-, Dam-und Riesenhirsch sowie für Wildpferde, Wisente oder Auerochsen.

 

In höheren Lagen folgte dann die Hartholzaue mit den dominanten Baumarten Esche und Ulme, oft auch Eiche, Linde und Hainbuche.

 

Unsere Flüsse waren also geprägt durch ständigen Wechsel von Temperatur, Wasserstand, Fließgeschwindigkeit, von ihrer äußeren Gestalt, vom Pflanzenwuchs und von der Aktivität einer Vielzahl von Tierarten.

 

Dieser Prozess wird als Fließgewässerdynamik bezeichnet und ist die Grundlage für die Herausbildung und Einnischung einer Vielzahl von spezialisierten Arten in unseren Bächen, Flüssen und Talauen.

 

Wie sollen wir die Krückau heute beurteilen ?

 

Natürliche und gesunde Verhältnisse am Fließgewässer Krückau gibt es – so wie eben geschildert – leider seit langem nicht mehr. Genauso wenig wie an den meisten der deutschen und europäischen Flüsse. Wie sie, so ist auch die Krückau mit ihren Nebenbächen seit vielen Jahrzehnten von den dort siedelnden Menschen stark beeinflusst worden. Um nutzbares Weideland zu bekommen, hat man den Fluss begradigt, die Auentümpel und Flutrinnen zugeschüttet und den bachbegleitenden Auenwald gerodet. Gleichzeitig vertiefte man den Fluss und baggerte an vielen Stellen die ökologisch so ungemein wichtigen Sohlsubstrate aus groben und feinen Kieselsteinen und Geröll mit heraus. Unentbehrliche Lebensräume für Köcherfliegen, Bachforellen oder Flussperlmuscheln. Das Flussbett wurde seitlich mit Stacks befestigt, damit es nicht zu neuen Uferabbrüchen kam. Zweck derartiger Maßnahmen war es und ist es bis heute, das Oberflächenwasser so rasch wie möglich aus der landwirtschaftlichen Nutzfläche abzuführen.

 

Dies gelang dann auch weitgehend, aber mit verheerenden Folgen für das Ökosystem Krückau und ihre Nebenbäche: die Auenwälder waren verschwunden und mit ihnen auch der Schwarzstorch und der Pirol, die Steilufer wurden eingeebnet und Eisvogel und Uferschwalbe gab es nicht mehr, den Fröschen, Unken, Kröten und Schlangen fehlten die Auentümpel und die nassen Biberwiesen und von den gut zwei Dutzend heimischen Fischarten überlebten nur noch wenige. Hinzu kam, dass mit beginnender Industrialisierung und zunehmender Bevölkerung die Krückau nicht nur zur schnurgeraden Wasserabflussrinne sondern auch zum Abwasserkanal verkommen war. Daher genossen die Krückau zusammen mit Pinnau und Stör in den 1960er Jahren den zweifelhaften Ruf als die dreckigsten Flüsse der damaligen Bundesrepublik.

Das ist zum Glück durch den Bau eines zentralen Klärwerks in Hetlingen seit Mitte der 1980er Jahre deutlich besser geworden!

 

Haben sich für die Krückau wesentliche Verbesserungen ergeben?

 

Sicherlich hat sich die Wasserqualität wesentlich verbessert. Und auch sonst hat sich einiges getan:

 

Enorme Anstrengungen hat der Sportfischerverein Barmstedt schon seit den 1970er Jahren unternommen, um Bachforelle und Meerforelle in der Krückau wieder heimisch werden zu lassen. Die Erfolge sind beeindruckend. Vor allem unter der Regie des Barmstedter Studienrats Gerd Janssen konnten vielfältige Verbesserungen der ökologischen Qualtät des Gewässers eingeleitet werden. So wurden im Bereich Langeln Geröll und Kieselsteine wieder in das Bachbett eingebracht – wichtige Laichplätze für die Meerforelle, die vorher in aufwändiger Arbeit in Extrabecken als Brut aufgezogen wurde. Um die Durchgängigkeit des Flusses wieder herzustellen, baute man eine Fischtreppe am Auslauf des Rantzauer Sees, so dass die Meerforellen ihre Laichplätze im Oberlauf der Krückau wieder erreichen konnten. Janssen verstand es zudem, ganze Schülerjahrgänge seines Gymnasiums zu motivieren, um mit ihnen die Uferbereiche des Krückauoberlaufs in den Gemeinden Heede und Langeln in junge Auwälder umzuwandeln. Große Verdienste erwarb er sich dabei auch durch die eigenhändige Anzucht und Wiederansiedlung der bei uns fast verschwundenen Flatterulme, die er unter fachkundiger Leitung des Forstamtsleiters Hans Hewicker in mehreren Aktionen zusammen mit seinen Schülern anpflanzen konnte.

 

Das sind doch schon sehr ermutigende Erfolge bei der Renaturierung der Krückau – doch reicht das?

 

Klar – wir sind begeistert von diesen Aktionen, zumal Gerd Janssen gar nicht daran denkt, seine Aktivitäten in nächster Zeit merklich zu verringern.

 

Auch sonst hat sich einiges getan: seit 2002 gibt es die Europäische Wasserrahmenrichtlinie. Danach sollen bis 2015 alle Flüsse der EU wieder einen ökologisch guten Zustand erreichen. Der für die Krückau zuständige Arbeitskreis 18   war seitdem auch sehr fleißig und immerhin sind bereits die für die Durchgängigkeit hinderlichen Sohlabstürze an der Ekholter Au vorbildlich zu Sohlgleiten umgebaut worden. Auch konnten einige Flächen erworben werden und das Landschaftsplanungsbüro Jürgens und Klütz hat einen Plan entworfen, der ermutigende Ansätze zur weiteren Verbesserung des Fließgewässers enthält. Dieser soll auch Schritt für Schritt umgesetzt werden.

 

Doch reicht dies? Wird die Krückau wieder richtig gesund?

Wir vom NABU meinen, dass dies erst der Anfang sein kann.

  

Nach wie vor machen die Sünden der Vergangenheit der Krückau und ihren Nebenbächen schwer zu schaffen. Noch immer sind wir weit entfernt von einem guten ökologischen Zustand, von einem gesunden und dynamischen Fließgewässersystem, denn

 

  • noch immer fließt die Au in einem künstlichen und begradigten Flussbett.
  • Die Bachsohle liegt – bedingt durch die jahrzehntelangen Ausbaggerungen – unnatürlich tief, bereichsweise ein bis zwei Meter unter dem natürlichen Niveau.
  • Die ökologisch erwünschte Verzahnung mit der angrenzenden Uferzone der Talaue ist dadurch nicht gegeben.
  • Die Fließgeschwindigkeit der begradigten Au ist viel zu hoch und es kommt daher zu einer verstärkten und anhaltenden Sohl- und Ufererosion.
  • Die Erosion führt dazu, dass vermehrt Sand aus den Vorgeestbereichen um Langeln und Heede in den Bach eingespült wird. Diese Sandfracht verstopft die restlichen noch vorhandenen wertvollen Lückensysteme am Bachgrund, vernichtet die Lebensräume von Köcherfliegen und Jungfischen und macht den gesamten Sohlbereich zwischen Heede und Elmshorn zu einer nahezu leblosen Wasserautobahn. Im Hafenbecken von Elmshorn lagert sich der Sand zusammen mit dem Tideschlick aus der Elbe dann ab und bereitet der Stadtentwässerung große Sorgen, weil das Elmshorner Oberflächenwasser nicht mehr richtig abfließen kann.
  • Durch die massive Begradigung und Vertiefung der Au wird das Wasser aus dem Oberlauf und seinen Randbereichen viel zu schnell abgeführt. Das ist zwar aus landwirtschaftlicher Sicht erwünscht, kann aber bei ungünstigen Wetterlagen besonders im Stadtgebiet Elmshorns zu großen Problemen führen, so dass auch bewohnte Areale von Überschwemmungen betroffen sein können. Dieses Problem wird sich möglicherweise im Verlauf der prognostizierten Klimaerwärmung noch verschärfen
  • Der derzeitige Zustand als Wasserautobahn bringt es mit sich, dass bachtypische Strukturen wie Kiesel, Geröll, Totholz, Kolke, Steilufer oder Gleithänge weitgehend fehlen. Kaum ein geeignetes Umfeld für die meisten Fischarten.
  • Auwälder oder zumindest auwaldähnliche Galeriestrukturen fehlen an weiten Strecken und damit die gerade für den Oberlauf so wichtige Beschattung des Baches, um die Wassertemperaturen möglichst niedrig und sauerstoffreich zu halten        

 

Was macht denn der NABU, um den Zustand der Krückau zu verbessern?

 

In der Erkenntnis, dass der Erwerb von Flächen der bisher beste Weg ist, um unseren Naturschutzanstrengungen zum Erfolg zu verhelfen, hat der NABU Elmshorn seit 1990 bisher über 60 ha Grünland oder restliche Auengehölze gekauft.

An geeigneten Stellen konnten seither Altarme der Krückau wieder geöffnet und angebunden werden. Auentümpel, Blänken und Stillgewäser sind wieder entstanden. Bachsäume aus Erlen, Eschen und Weiden sind an verschiedene Uferbereichen angepflanzt worden, wir haben vielfältig strukturierte Auengehölze wieder entstehen lassen und für den Eisvogel erfolgreich neue künstliche Steilwände gebaut.

Auf den höher gelegenen Weiden wurden zahlreiche Pflanzinseln errichtet. Die Weiden werden von ortsansässigen Landwirten gepachtet und von Robustrindern, zeitweise auch von Schafen beweidet.

Nach über 20 Jahren sind die Erfolge unserer Naturschutzarbeit deutlich geworden: die vorher weitgehend ausgeräumten Agrarflächen sind zu vielfältigen halboffenen Weidelandschaften geworden oder haben sich zu stabilen, artenreichen Auengehölzen gewandelt. 

 

In den Frühjahrsmonaten erfüllt ein vielstimmiges Froschkonzert die Weiden und Auentümpel am „Deutschen Eck“ – dem Zusammenfluss von Krückau und Offenau. Gras- und Wasserfrosch, Erdkröte sowie Kamm- und Teichmolch konnten bislang festgestellt werden.

 

Der Eisvogel hat die neuen Steilwände angenommen und hier bis 2010 erfolgreich gebrütet. Der Winter 2010/11 hat die Bestände dann allerdings großflächig zusammenbrechen lassen. Im zeitigen Frühjahr 2013 und in den Folgejahren sind aber wieder Eisvögel da und halten sich in der Nähe der künstlichen Steilwand auf.

 

An den Weihern siedeln Stock- und Reiherenten, Krick- und Knäkenten sind zur Brutzeit gesehen worden. Lautstark erfüllen die Rufe von Kanadagans und Nilgans die Luft. Beide gehören zwar zu den Neozoen und wir sehen sie mit gemischten Gefühlen, aber sie beleben die Landschaft und stören niemanden, denn auch die heimische Graugans hat sich schon sehen lassen.

 

In den Hochstauden der Randzonen brüten Rohrammern, Sumpfrohrsänger, Feldschwirl, Braun- und Schwarzkehlchen.

 

Die Feuchtwiesen sind bis heute Heimat von Kiebitz und Austernfischer. Jahrweise rufen auch Wachtel und Wachtelkönig.

 

Von unseren Pflanzinseln, die mit einem Kranz von Weißdorn, Wildrosen und Schlehen umgeben sind, profitiert in besonderem Maße der Neuntöter, der in 2011 auf etwa 80 ha mit 13 Paaren gebrütet hat. Eine Dichte, die man im weiten Umkreis nicht mehr findet und die uns einen Hinweis gibt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ist doch gerade der Neuntöter eine Indikatorart für insektenreiche und vielfältig strukturierte, halboffene Weidelandschaften – eine der bedrohten Landschaftsformen, die wir gerne erhalten wollen. Mit dem Neuntöter kommen auch Goldammer, Dorngrasmücke und Baumpieper vor– alles Vogelarten, die es sonst in der uns umgebenden Agrarsteppe sehr schwer haben.

 

Und unserer Ziele?

 

Die oben aufgeführten Defizite am Fließgewässersystem Krückau und ihrer Nebenbäche sind so gut, effektiv und so zeitnah wie möglich zu beheben.

 

Voraussetzung dafür ist der Erwerb der ufernahen Flächen, zumindest aber die Ausweisung eines ausreichend breiten Randstreifens, um die noch bestehenden Nutzungskonflikte mit der Landwirtschaft abzumildern und um dem Bach mehr Raum für die Entwicklung fließgewässertypischer Prozesse und einer weitgehend natürlichen Auendynamik zu geben.

 

Die feuchten und vernässten Uferbereiche sind geeignete Standorte für Auengehölze oder Auwaldstreifen.

 

Die anschließenden Grünlandbereiche werden von Rindern oder Pferden – am besten in Form von Robustrassen – möglichst ganzjährig beweidet. Die Weidetiere übernehmen dabei allein die Rolle der Landschaftsgestalter und werden dabei von Wildtieren unterstützt. Der Mensch übernimmt nur die erforderlichen Kontrollmaßnahmen, die der Gesetzgeber bei der Tierhaltung derzeit vorgibt. Zäune entfallen im Innenbereich vollständig und grenzen den Projektraum nur nach außen ab.

 

Das Projektziel ist ein Flächenverbund, der sich zwischen Barmstedt und Elmshorn nördlich und südlich der Krückau erstreckt. Dieser Raum ist geprägt durch eine möglichst ungesteuerte und unbeeinflusste Fließgewässerdynamik der Au, durch randliche Auwälder, Kleingehölze und Bachsäume sowie durch offene und halboffene Weidelandstrukturen („Wilde Weiden“), die einer möglichst naturnahen Form der Beweidung unterliegen.

 

Vom Rand her sind Wanderwege, Aussichtspunkte und Infostände möglich und wünschenswert, um der Bevölkerung Einblicke in eine sich entwickelnde Naturlandschaft zu geben, wie sie heute bei uns leider selten geworden ist. Naherholung und Fortbildung sind dabei integrale Bestandteile des NABU-Konzepts für den Projektraum „Mittlere Krückau“.

 

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